Tip der Saison
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Tip der Saison



Tip der Saison



Das Konrad-Zuse-Museum
Mit Stadt und Kreisgeschichte in Hünfeld


Kontakt:
Kirchplatz 4-6
36088 Hünfeld

Tel: (06652) 919 884



www.zuse-museum-huenfeld.de


Wer im Raum Hünfeld als Nordic Walker unterwegs war und noch etwas Zeit für ein kulturelles Erlebnis hat, der sollte sich dieses Museum anschauen. Sein besonderer Reiz besteht darin, dass hier alte und neue Geschichte miteinander verknüpft sind. Das Museum ist in einem ehemaligen Schulgebäude untergebracht. Der Reigen der anschaulich präsentierten Themen reicht von altsteinzeitlichen Funden in der Region bis hin zum Werk jenes Mannes, dem das Museum seinen Namen verdankt: Konrad Zuse, Vater des Computers.

Originales aus der Welt von Konrad Zuse

Viele wissen es gar nicht: Der Ursprung des Computers liegt nicht etwa in Amerika, sondern in Deutschland. Pionier war ein genialer Ingenieur, der den größten Teil seines Lebens in Hünfeld verbrachte und Ehrenbürger der Stadt ist.

Für Technik- und Computer-Freaks ist daher die Abteilung "Konrad Zuse" von besonderem Interesse. Immerhin kann das Museum mit dem einzigen funktionstüchtigen Nachbau des ersten Zuse-Rechners und vielen anderen bahnbrechenden Zuse-Rechnern aufwarten. Im Vergleich zu heutigen Notebooks oder Smartphones waren das gigantisch große Geräte. Weitere Exponate aus der Welt des Erfinders, eine Multimedia-Show sowie etliche seiner in der zweiten Lebenshälfte in Hünfeld gemalten Bilder sowie Karikaturen und Werbeplakate aus seiner Jugendzeit runden das Angebot dieser Abteilung ab.
(mehr zu Zuse im „Profil“ am Ende dieses Textes.)


Spannende Heimatgeschichte

Auf einer ganz anderen Eben, aber nicht minder interessant sind die heimatkundlichen Ausstellungsbereiche. So gibt es eine Abteilung "Leben mit der Grenze". Immerhin lag Hünfeld mehrere Jahrzehnte lang unmittelbar im Schatten der Zonengrenze.

Noch weiter zurück reichen die vor- und frühgeschichtlichen Abteilungen. Schließlich wurden im Raum Hünfeld bedeutende Funde aus Altsteinzeit und Bronzezeit gemacht. Weltberühmt ist das in einem Hügelgrab im Ortsteil Molzbach bestattete "Mädchen von Molzbach", dessen Grablege im Museum rekonstruiert worden ist. Der Skelettfund aus dem Jahr 1931 war wegen der vielen Schmuckstücke eine absolute Sensation.

Von der Steinzeit über das frühmittelalterliche Kloster Hünfeld und den Großen Stadtbrand von 1888 bis zu einem der ersten frei programmierbaren Rechenmaschinen der Welt - dieses Hünfelder Museum ist einen Besuch wert.




























Hintergrund-Profil


Konrad Zuse...

... wurde am 22. Juni 1910 in Berlin-Wilmersdorf geboren. Sein Vater, Emil Zuse, war ein im besten Sinne des Wortes „preußischer“ Postbeamter, der 1912 in die ostpreußische Kleinstadt Braunsberg versetzt wurde, wo Konrad Grundschule und Gymnasium besuchte. Begeistert bastelte er mit seinem Stabilbaukasten und erwarb so Grundkenntnisse der Mechanik. Diese ersten praktischen Erfahrungen haben ihm später beim Bau seiner rein mechanischen Rechenmaschinen sehr geholfen.

1924 zog die Familie ins sächsische Hoyerswerda, wo Konrad bis zum Abitur (1928) ein Reformgymnasium besuchte, an dem Mathematik und Naturwissenschaften groß geschrieben wurden – was den Begabungen des Jungen entsprach.

Nach dem Abitur begann für den gerade 17-jährigen Abiturienten der Ernst des Lebens. Er verließ das überschaubare Hoyerswerda und ging in die Metropole Berlin, wo er an der Technischen Hochschule Charlottenburg das Fach Maschinenbau belegte. Doch die Inhalte des Studiums sagten Zuse nicht zu. Er wechselte zum fach Architektur, um schließlich mit einem Diplom als Bauingenieur abzuschließen.  

Die statischen Berechnungen, die ein Bauingenieur durchführen musste, waren aufwändig und mühsam. Wie schön, träumte Zuse, wenn man solche mühsamen Rechenprozesse einer Maschine übertragen könnte!
Er nahm sich vor, eine Rechenmaschine zu entwickeln und ging mit Feuereifer daran, diese kühne Idee umzusetzen.

Nach Abschluss des Studiums (1935) trat Zuse eine Stelle als Statiker bei den Henschel-Flugzeugwerken an. Nebenbei beschäftigte er sich weiter mit seiner Idee eines Rechenautomaten. Zwar gab es damals schon Rechenmaschinen, doch konnten die nur standardisierte Rechenschritte durchführen. Das war Zuse zu wenig. Seine Maschine sollte „intelligent“ sein und Berechnungen selbstständig durchführen, nachdem man ihr die Aufgabenstellung „erklärt“ hatte. Kurzum: Er musste ein Programm entwerfen.

Als Zuse der Überzeugung war, auf dem richtigen Weg zu sein, gab er seine Stelle auf. Im Wohnzimmer der inzwischen nach Berlin gezogenen Eltern baute er seinen ersten Rechner, den legendären „Z1“. Der füllte fast einen ganzen Raum.
Kurz darauf entstand der „Z2“, und im Mai 1941 war der „Z3“ vollendet, der als erster voll funktionstüchtiger, frei programmierbarer Rechner der Welt gilt und als Nachbau im Deutschen Museum zu bewundern ist. Vor allem dem „Z3“ verdankt Konrad Zuse den ehrenvollen Beinamen „Vater des Computers“.

Als schließlich ein noch leistungsfähigerer Rechner fertiggestellt war, der „Z4“,  stand Deutschland kurz vor dem Zusammenbruch. Es gelang Zuse seine Rechenmaschine bei Nacht und Nebel per LKW in das Allgäu zu evakuieren und dort vor den Alliierten zu verstecken.

Im Allgäu entwickelte Zuse auch seine Programmiersprache „Plankalkül“, mit der er seiner Zeit um viele Jahre voraus war. Er gründete in Hopferau das Zuse-Ingenieurbüro und suchte dann einen Ort zur Produktion seiner Rechner. Jetzt kam der Zufall ins Spiel: Alfred Eckart, ein Studienfreund Zuses aus Burghaun, gab dem Erfinder den Tipp, dass in Neukirchen bei Hünfeld eine ehemalige Postrelaisstation günstig zu mieten sei. Hier entstand 1949 die Zuse KG, die bereits ein Jahr später 40 Mitarbeiter hatte. 1957 übersiedelte die Firma nach Bad Hersfeld. Zuse selbst lebte mit seiner Frau Gisela, die er 1945 geheiratet hatte, seit 1956 in Hünfeld.

1950 mietete die hoch angesehene Schweizer Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich (ETH) Zuses „Z4“ für fünf Jahre an. Das sprach sich in Mathematikerkreisen herum – und fortan brauchte sich die Zuse KG um Aufträge keine Sorgen mehr zu machen.

Die Zuse KG galt als flexibel, lösungsorientiert und kundennah. So fanden immer neue, noch leistungsfähigere Rechenautomaten guten Absatz und nahezu die gesamte Elite der deutschen Wirtschaft wurde mit Rechnern aus Osthessen ausgestattet. Ein besonderer Erfolg war der Röhrencomputer „Z22“, von dem ca. 50 Exemplare zum Stückpreis von rund 200.000 Mark abgesetzt werden konnten.

Dennoch geriet die Zuse KG in den 60-er Jahren in Schwierigkeiten. Ein Grund dafür war die zu geringe Kapitaldecke. Am Ende wurde das Unternehmen von Siemens geschluckt und 1969 schied Konrad Zuse aus der Firma aus. Bis zu seinem Tod im Jahre 1995 lebte er in Hünfeld, allseits beliebt und respektiert, und widmete sich nun verstärkt der Malerei. Mitte der 70-er Jahre wurde die Computerentwicklung in Hersfeld eingestellt und 1971 der Firmenname „Zuse KG“ gelöscht.

Das Ende des Unternehmens ändert nichts an der historischen Leistung dieses Computer-Pioniers. Die enorme Bedeutung seiner Arbeit wurde bereits zu Lebzeiten erkannt und man überschüttete Zuse mit Auszeichnungen und Ehrendoktorwürden. Als Erster hatte er dreierlei zusammengeführt: die Idee eines funktionsfähigen programmierbaren Rechenautomaten, die Entwicklung bis hin zur praktischen Umsetzung und die unternehmerische Nutzung. Viele haben später darauf aufgebaut und die Computer immer leistungsfähiger und erschwinglicher gemacht.